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Beyond Surfaces Nr.8 - Medizintechnik

Biokompatibel: Was Skalpelle, Zahnkronen und Hüftgelenke gemeinsam haben. Testfrage: Tim Horn über Qualitätskontrolle und Standardisierung bei AM. Montia Nestler und Nancy Shepard: Sie lieben die Herausforderung

Beyond Surfaces Nr.8 - Medizintechnik

Rund 7.75 Milliarden Menschen leben auf der Welt – und es werden immer mehr. Gleichzeitig werden wir immer älter. Weltweit stossen Gesundheitssysteme an ihre Grenzen: die Kosten explodieren, und zu wenige Ärzte und Pflegepersonal müssen für zu viele Menschen sorgen. Mit Innovationen wird versucht, diesem Trend gegenzusteuern, und Patientinnen und Patienten nachhaltig und effizient zu behandeln.

Oerlikon deckt im hoch regulierten und komplexen Medizintechnik-Markt Lösungen entlang der gesamten Prozesskette ab. Gleichzeitig ist unsere individuelle Gesundheit auch ein sehr persönliches Thema. Mit der neuen Ausgabe unseres Magazins BEYOND SURFACES tragen wir beiden Aspekten Rechnung.

Beschichtungen und der additiven Fertigung (AM) kommen in der Medizintechnik immer grössere Bedeutung zu. Davon sind sowohl Andy Christensen, AM-Pionier im Medical-Bereich, als auch unsere interne Medizintechnik-Expertin Canet Akcigoz überzeugt. Welche Rolle Qualitätsbewusstsein bei der Beschichtung von Zahnimplantaten spielt, erklärt Lucas van der Merwe, CEO von Bächler Feintech, während Nancy Shepard, Director of Business Development bei Oerlikon AM Medical, auf sehr persönliche Art erzählt, wie sie plötzlich selbst Patientin wurde.

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Im Mittelpunkt: das Institut für Keramikforschung IRCER

Die Verbindung von Oerlikon mit der zentralfranzösischen Stadt Limoges und ihrer Universität ist lang. Jetzt geht sie in eine neue Ära. Im Mittelpunkt dabei steht das Institut für Keramikforschung IRCER (Institut de recherche sur les céramiques). Wir trafen dessen Leiter Philippe Thomas und den Thermal Spray Forschungsleiter Alain Denoirjean zum Gespräch.

Nicht ganz von ungefähr hat das 1975 gegründete IRCER mit seinen rund 200 Mitarbeitenden seinen Sitz in Limoges – jener Stadt, die auf der ganzen Welt für ihre traditionsreichen Emaille- und Porzellanmanufakturen bekannt ist. Rund 15 000 Studenten studieren an der hiesigen Universität, einem der Träger des IRCER – der zweite ist das Centre national de la recherche scientifique (CNRS; Nationales Zentrum für wissenschaftliche Forschung). Das CNRS ist eine der Grundlagenforschung gewidmete Institution des Forschungsministeriums, mit rund 32 000 Beschäftigten die zweitgrößte Forschungsorganisation in Europa.

Das moderne Hauptgebäude von IRCER ist in kurzer Gehdistanz zu Oerlikon Balzers Frankreich, wo man auf Schichtlösungen für den Motorsport-Bereich spezialisiert ist. Das IRCER selbst hat vier Forschungsschwerpunkte – einer davon ist die Oberflächenbehandlung. Philippe Thomas erklärt: »Wir arbeiten nicht nur mit der Universität und dem CNRS zusammen, sondern auch mit verschiedenen Industriepartnern. Diese lagern Teile ihrer Grundlagenforschung auf Vertragsbasis zu uns aus. Mit zwei Unternehmen unterhalten wir sogar gemeinsame, exklusive Forschungsinstitute.«

Zusammenarbeit mit Oerlikon und Safran ist die Krönung von zwei langjährigen Partnerschaften

Im Juni ging eine Pressemitteilung an die Medien: »Safran, Oerlikon, das CNRS und die Universität Limoges gründen ein gemeinsames Forschungslabor und eine gemeinsame Technologieplattform für Oberflächenbehandlung in Südwestfrankreich« lautete die Headline (siehe nächste Seite). Hochrangige Vertreter der beteiligten Partner hatten anlässlich der Messe »Paris Air Show« einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Die beiden Projekte, die dabei im Mittelpunkt stehen: PROTHEIS, ein gemeinsames Forschungsinstitut, und die Technologie-Plattform SAFIR.

Für Philippe Thomas und Alain Denoirjean ist dies die Krönung von zwei langjährigen Partnerschaften, die das IRCER sowohl mit Oerlikon als auch mit der im Luftfahrtbereich tätigen französischen Safran-Gruppe verbinden. »Dass wir jetzt mit diesen beiden Partnern ein gemeinsames Institut realisieren, bedeutet, dass wir unsere Kräfte bündeln können, und unsere Forschungen direkt in die Luft- und Raumfahrtindustrie transferiert werden!« PROTHEIS ist dabei der Grundlagenforschung im Bereich TLR* 1–4 des Technologie-Reifegrads und exklusiv den Projektpartnern vorbehalten.

Die Technologie-Plattform SAFIR wird hingegen je nach Forschungsobjekt die Bereiche bis TLR 6 (Definition: Prototyp in der Einsatzumgebung) umfassen, und steht der gesamten Industrie offen. »Das bedeutet, dass wir sozusagen ›verkaufsfähige‹ Forschung bieten, dabei aber immer noch die Beschichtungen verbessern können – für uns ist das essenziell!«, meint Alain Denoirjean. Seine Begeisterung ist ansteckend, als er erklärt, dass die neue Plattform im letzten Quartal 2020 ihre Arbeit aufnehmen wird: »Wir werden mit der neuesten Generation von Anlagen arbeiten können, darunter einer INNOVENTA Kila von Oerlikon Balzers, und einer Thermal Spray Anlage von Oerlikon Metco, und mit Teststrecken, mit denen wir unter Industriebedingungen arbeiten können … aber leider müssen wir noch warten, bis das neue Gebäude fertig ist, denn wir sprechen hier von rund 1 000 m2 Laboren und Büros!«

Dass wir jetzt mit diesen beiden Partnern ein gemeinsames Institut realisieren, bedeutet, dass wir unsere Kräfte bündeln können, und unsere Forschungen direkt in die Luft- und Raumfahrtindustrie transferiert werden!

Schwerpunkt: Funktionseinschränkungen im Luft- und Raumfahrtbereich

Und an was wird hier dann genau geforscht? Alain Denoirjean erklärt: »Uns geht es um Funktionseinschränkungen im Luft- und Raumfahrtbereich. Wir wollen zum Beispiel erforschen, wie organische Komposit-Materialien, die eingesetzt werden, um das Gewicht der Flugkörper zu verringern, gegen Erosion und Blitzeinschläge geschützt werden können. Oder wie Wärmedämmschichten gegen CMAS-Infiltration geschützt werden können. Denn hierbei dringen Calzium-Magnesium-Aluminium-Silikate (CMAS), das sind z. B. Sand oder Vulkanasche, in die Schicht ein, was in Flugzeugturbinen, die Temperaturen über 1 250 °C aushalten müssen, zu Fehlfunktionen führen kann. Wir wollen aber auch herausfinden, wie sehr feine Pulver mit Hilfe des Einsatzes von Flüssigkeiten in der Oberflächenbeschichtung eingesetzt werden können. Und nicht zuletzt, wie man Prozesse wie thermisches Spritzen und PVD kombinieren kann. Und das alles wollen wir mit Hilfe des neuen Equipments machen, zudem mit Simulationen, Monitoring, Tests und Prozessdiagnose sowie Datenverarbeitung.«

Die Zukunft der Luftfahrt voranbringen

Oerlikons Lösungen für die Luftfahrt reichen von Highend-Beschichtungen und Anlagen über Werkstoffe bis hin zu additiver Fertigung. Damit ist Oerlikon ein wichtiger Partner für die Luftfahrt-Industrie weltweit. Gilles Widawski, Präsident von Oerlikon Frankreich, erklärt: »Wir schaffen Mehrwert für die Hersteller, indem wir den Wert der Bauteile steigern. Mit dieser Forschungspartnerschaft können wir unsere Expertise mit der F&E-Roadmap unseres Kunden Safran, einem der größten Anbieter von Luft- und Raumfahrttechnik, kombinieren und gemeinsam die zukünftige Entwicklung von Flugzeugen und Hubschraubern voranbringen.«

www.ircer.fr

Partnerschaft für gemeinsames Forschungslabor und Technologie-Plattform
Safran, Oerlikon, CNRS und die Universität von Limoges wollen ein gemeinsames Forschungslabor namens PROTHEIS und eine Technologieplattform unter der Bezeichnung SAFIR gründen. Diese beiden neuen Einrichtungen werden Safran bei der Verbesserung seiner Fähigkeiten im Bereich Oberflächenbehandlung unterstützen, um leichtere und langlebigere Produkte herzustellen, die in der Lage sind, Lärm- und Stickstoffemissionen gemäß der EU-Verordnung REACH zu verringern und den Anforderungen aller Arten von Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt jetzt und in der Zukunft gerecht zu werden. Oerlikon erwartet von der Zusammenarbeit eine Intensivierung ihrer bereits schon starken Unterstützung der Luft- und Raumfahrtindustrie entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Oerlikon bringt in die Partnerschaft das fundierte und langjährige Fachwissen über moderne Werkstoffe, Oberflächentechnologie und hochwertige industrielle Ausrüstungen ein, um die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb der Branche zu steigern. Richtungsweisend für die durchzuführenden Forschungsarbeiten sind die Vorgaben von Safran sowie die F&E-Aktivitäten von Safran, Oerlikon sowie des IRCER.

* Der „Technology Readiness Level“ ist eine Methode zur Bewertung des Entwicklungsstands neuer Technologien. TLR 1–4 beinhaltet grundlegende Technologieforschung, Forschung zum Nachweis der Machbarkeit und kann auch erste Schritte der Technologieentwicklung beinhalten.

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