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Beyond Surfaces Nr.7 - Luftfahrt

Vom Pinsel zum Stift: Prof. Sampath über die (R)Evolution des thermischen Spritzens. Hoch hinaus: Airbus startet mit Big Data in die Zukunft der Luftfahrt. Muskelspiele: Mit 3D-Druck zum optimalen Krafttraining.

Beyond Surfaces Nr.7 - Luftfahrt

Die Luftfahrt ist einer der faszinierendsten Industriebereiche überhaupt. Nicht nur, weil der Traum vom Fliegen die Menschheit schon seit vielen Jahrhunderten beschäftigt. Sondern auch, weil die Komponenten eines Flugzeugs extremen Bedingungen ausgesetzt sind. Dies stellt besondere Herausforderungen an Ingenieure. Aus diesem Grund haben wir dem Thema Luftfahrt eine Ausgabe unseres Magazins BEYOND SURFACES gewidmet.

Eine entscheidende Technologie bei der Herstellung von Flugzeugtriebwerken ist das thermische Spritzen. Wir haben mit Professor Sampath von der Stony Brook University in New York über die neuesten Entwicklungen auf diesem Gebiet gesprochen. Zudem berichtet unser Kunde Airbus im Interview, welche Bedeutung Lufttaxis für die Zukunft der urbanen Luftfahrt haben werden und welche Rolle Big Data dabei spielt. Und unsere FuE-Expertin Mirjam Arndt von Oerlikon Balzers erklärt, weshalb technologische Weiterentwicklungen heute mehr denn je nur durch enge Partnerschaften möglich sind.

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Werkstoffexpertin Mirjam Arndt über Herausforderungen in der Schichtentwicklung

Zusammenarbeit, Kooperation, Partnerschaft. Diese Worte ziehen sich wie ein roter Faden durch unser Gespräch mit Dr. Mirjam Arndt, Leiterin R&D Product Development bei Oerlikon Balzers. Und sie spannt dabei einen weiten Bogen, bezieht ihr 15-köpfiges internationales Team ebenso ein wie die Kolleginnen und Kollegen im Verkauf, die Kunden, und die wissenschaftlichen Partner an Instituten.

»Die zentrale Frage, die wir uns jeden Tag stellen, lautet: Wie schaffen wir neue Schichten, und damit neue Produkte, die der Markt bewusst oder unbewusst nachfragt?«, erläutert die promovierte Metallurgin und Werkstofftechnikerin. Ihre Abteilung betreibt Innovationsmanagement – und das wird hier umfassend verstanden: »Unsere Kollegen bei R&D Technology entwickeln die Hardware-Komponenten, die es für den Beschichtungsvorgang braucht, zum Beispiel neue Lichtbogenverdampfungsquellen. Unser hauseigenes Engineering-Team ist gemeinsam mit R&D Technology für die Anlagenentwicklung zuständig. Und wir vom R&D Product Development benutzen diese Entwicklungen einerseits, um neue Schichten zu entwickeln; andererseits wollen wir auch die Produktion von bestehenden Schichten auf neuen Anlagentechnologien ermöglichen«, erläutert Mirjam Arndt.

Schlüsselerlebnis Anlagentechnologie

Ihre Begeisterung und Leidenschaft für ihre Aufgabe wird während des gesamten Gesprächs deutlich. Nach der Promotion und einem Postdoc-Jahr kehrte sie ihrer Alma Mater RWTH Aachen den Rücken und ging in die Industrie – zu METAPLAS in Deutschland, heute ebenfalls Teil von Oerlikon Balzers und damit des Oerlikon- Konzerns. »Ich entwickelte dort eine – schlussendlich sehr erfolgreiche – Aluminium-Titan-Nitridschicht, für die auch eine Weiterentwicklung der Anlagen notwendig war. Für mich war das so etwas wie ein Schlüsselerlebnis«, erinnert sich Arndt.

Die spätere Arbeit in der R&D Surface Technology- Abteilung eines großen Industrieanwenders ermöglichte ihr, ihr Wissen in der Zerspanung weiter zu vertiefen. »Aber wir hatten da – als Anwender – absolut keinen Einfluss auf die Anlagentechnologie. So kam ich dann nach Projekten in Deutschland, den USA und Israel vor genau zehn Jahren zu Oerlikon Balzers nach Liechtenstein. Und hier habe ich endlich die Möglichkeit, nicht nur Schichten, sondern die Weiterentwicklung ganzer Technologien zu beeinflussen.« Und Arndt nennt auch gleich die INNOVENTA-Plattform als Beispiel. Mit dieser Anlage können hochkomplexe Schichten nun auch hochproduktiv abgeschieden werden. Das heißt: mehrere verschiedene Beschichtungsmaterialien für komplexe Schichtarchitekturen und Nano-Layer, und noch dazu bis zu zweimal schneller als bisher. Damit kann man neben den Zerspanungsanwendungen insbesondere auch die Anforderungen für Umformwerkzeuge oder bestimmte Präzisionskomponenten noch besser angehen.

Reales Produkt statt Forschungsarbeit

Hat es die Forscherin Mirjam Arndt denn nie zurückgezogen an die Universität? Sie lacht. »Naja, schon manchmal – aber ich bin ja in ständigem Austausch mit den verschiedenen Instituten und Forschungskollegen in ganz Europa. An der Universität entsteht aus Forschung eine Publikation. Wir hingegen halten als Endergebnis ein reales Produkt in den Händen, das der Kunde anwenden kann, und das nicht selten völlig neue Anwendungsfelder erschließt, wie etwa unsere S3p-Technologie (siehe Kasten). Und wir bekommen direkt das Feedback vom Markt – das ist eine unglaubliche Motivation.«

Für die Grundlagenforschung unterhält das Team enge Beziehungen zu Universitäten und Forschungseinrichtungen in ganz Europa – beispielsweise zur RWTH Aachen, zur EMPA in Zürich, und zur Technischen Universität Wien, wo ein weiteres gemeinsames Christian-Doppler-Labor eingerichtet wurde, das seine Arbeit am 1. März 2019 aufgenommen hat. Dessen Schwerpunkt liegt auf der Oberflächentechnik für hochbeanspruchte Präzisionskomponenten – einem der strategischen Wachstumsfelder von Oerlikon Balzers. Und bei all diesen Partnern stehen auch Oerlikon Balzers Anlagen, erklärt Mirjam Arndt: »Das stellt sicher, dass wir auch die Grundlagenforschung auf den ›richtigen‹ Anlagen machen. Aus diesen Forschungen entstehen Ideen, die in spätere Produktentwicklungen einfließen können. Dafür erstellen wir gemeinsam mit unseren Geschäftseinheiten Roadmaps für Projekte und Produkte, und eine detaillierte Markt- und Wettbewerbs-Analyse stellt sicher, dass wir nicht an den Industriebedürfnissen vorbei entwickeln.«

Win-win-Situation für Kunden und Entwickler

Aber auch mit den Kunden wird eng zusammen gearbeitet, denn nicht für alle Anwendungen gibt es Labore, wie zum Beispiel das hauseigene Zerspanungslabor. Daher arbeitet das Team mit Kunden aus den Bereichen Formwerkzeuge und Präzisionskomponenten schon in der Entwicklungsphase sehr eng zusammen. Das sind Partnerschaften mit Win-Win-Effekt: »Der Kunde bekommt eine verbesserte Schicht – und wir können unsere Produkte dank dem Feedback der Kunden und den Ergebnissen aus den Feldtests verbessern.«

Mirjam Arndt erläutert: »Um eine marktfähige Schicht zu entwickeln, müssen wir genau verstehen, was die Kunden brauchen, wo Anwendungsbelastungen wie Temperaturen und Kräfte wirken und welche Verschleißmechanismen auftreten. Das übersetzen wir dann in die notwendigen Schichteigenschaften. Diese einzustellen ist dann die Kernkompetenz meines Teams.«

Überhaupt, das Team ... Spricht Mirjam Arndt von »ihren« 15 promovierten Materialwissenschaftlern und Physikern, die aus zwölf verschiedenen Nationen stammen, ist ihr der Stolz auf ihre Abteilung anzuhören. Angefangen hat sie mit zwei Mitarbeitern. »Meine Aufgabe war es, das Team zu erweitern und dabei oftmals Wissenschaftlern, die ohne Industrieerfahrung direkt von der Universität zu uns kamen, die anwendungsorientierte Schichtproduktentwicklung nahe zu bringen. Jede und jeder von uns muss die Anwendungen unserer Kunden verstehen, wir müssen uns dabei ergänzen und gegenseitig unterstützen – Einzelkämpfer können wir hier nicht brauchen. Darüber hinaus bietet Oerlikon ein ideales Umfeld, damit sich meine Mitarbeiter innerhalb des Unternehmens weiterentwickeln können, je nach Neigung entweder durch eine Fach- oder eine Führungskarriere. Dieses ›interne Netzwerk‹ kommt dann auch wieder unserer Abteilung zugute.«

Jede und jeder von uns muss die Anwendungen unserer Kunden verstehen, wir müssen uns dabei ergänzen und gegenseitig unterstützen.

Neue Materialien erfordern neue Schichten »beyond nitrides«

Neben einer gut gefüllten Entwicklungspipeline befasst sich die R&D Produktentwicklung auch mit zukünftigen Trends. Die größte Herausforderung sieht Arndt in neuen Grundmaterialien, die völlig neue Beschichtungslösungen brauchen werden. Dies können zum einen neue Substratmaterialien sein, die neuartige Schutzschichten benötigen, zum Beispiel im Bereich der Präzisionskomponenten. Oder auch neue zu bearbeitende Materialien im Bereich der Zerspanungs- oder Umformwerkzeuge, etwa eine neue Klasse von Materialsystemen mit höherer thermischer und/oder chemischer Stabilität, die sich durch höhere Härten auszeichnen. Das eröffnet völlig neue Anwendungsfelder. Gleichzeitig sind diese Materialien aber auch hochspröde, und verlangen damit nach neuen Schichtmaterialien jenseits der konventionellen Nitride. »Im Aerospace-Bereich können dies zum Beispiel neue Grundmaterialien für Turbinen sein, die deutlich höheren Temperaturen als bisher standhalten müssen«, blickt Mirjam Arndt in die Zukunft. »Damit werden wir neue Schutzschichten gegen extrem hohe Temperaturen und Oxidation anbieten müssen. Im Energieerzeugungsbereich dagegen geht es zwar um niedrigere Temperaturen, hier ist jedoch die Korrosions- und Erosionsbeständigkeit extrem wichtig, was wir mit Schichtentwicklungen außerhalb des heutigen PVD-Spektrums erreichen müssen.«

Langweilig wird es Mirjam Arndt und ihrem Team also nicht: »Wir wollen unseren Kunden Produkte für diese neuen Anwendungen anbieten können. Das heißt für uns, dass wir anders denken müssen, in Dimensionen, die bisher gar nicht gedacht wurden, weil so etwas gar nicht möglich war. Das ist unsere Herausforderung, an der wir jetzt schon gemeinsam mit unseren Partnern arbeiten«, schließt Mirjam Arndt das Gespräch.

S3p – Die glatte Revolution

Die S3p Technologie vereint die Vorteile der Arc Evaporation- und Sputtertechnologien. Das einzigartige Prozessfenster und die getrennte Skalierbarkeit von Pulsdauer, Pulsform und Stromdichte eröffnen neue Möglichkeiten für kundenspezifisches Beschichtungsdesign, das unter der Produktfamilie BALIQ vermarktet wird. Anwendungsbeispiele der Technologie sind Mikrowerkzeuge oder Gewindewerkzeuge, die sehr präzise und glatte Hochleistungsbeschichtungen benötigen.

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